Alles ist da. Versuch über die Arbeit von Christine Maringer

Veröffentlicht in „LANDSTRICH 34“ und in „Weinviertler Kulturnachrichten“
2018

Shira usu yo-shi: ein japanisches Seidenpapier, leicht und hauchzart, ein faszinierendes Material, welches als Hülle zum Einschlagen empfindlicher Objekte diente, jedoch – in dünne Streifen zerrissen – auch als eine robuste, zugfeste Verpackungsschnur verwendet wurde. Mitarbeiter einer japanischen Spedition hatten nach dem Verpacken von Ausstellungsstücken einen Stapel davon im Wien Museum als Gastgeschenk zurückgelassen. Für Christine Maringer ist diese Kostbarkeit später ein wichtiger Werkstoff für viele ihrer Kunstobjekte geworden …

Besuch bei Christine und Norbert Maringer mit Essen und Whisky Verkostung.

…. Kunst macht Freude, sagt Christine heute – und ihre Arbeiten vermitteln ganz unmittelbar diese Leichtigkeit und Heiterkeit, aus der sie entstanden sind. Erst nach und nach nimmt man als Betrachter die hohe handwerkliche Qualität ihrer Kunstobjekte wahr, wird sich bewusst, wenn man sich darauf einlassen mag, wie diese Wesen auf ihre Umgebung eingehen und auch mit dem Betrachter korrespondieren. Was aber bei all dieser Zartheit und Anmut der Gebilde – vielleicht – erstaunt, ist ihre Relevanz in sozialen und gesellschaftspolitischen Fragen …

Didi Sattmann
Fotosession mit Christine. 9.7. 2021
www.christinemaringer.at

Sag einfach Maria zu mir

Veröffentlichung geplant
2022
Dreh zum Kunstfilm „Andy´s Cake“ am Friedrichshof, 1991
Maria Lassnig in der Rolle der Valerie Solanas (Attentäterin auf Warhol) mit Friseur Erich Joham

Die Parndorfer Heide im Burgenland, 1991. Hier steht Andy Warhols legendäre Factory mit ihren Ateliers und der Künstlerkommune. Soeben ist Valerie Solanas eingetroffen, in Netzstrümpfen und in einem Minirock so kurz und knapp wie halt ein Fetzen dunkler Stoff. Der geladene Revolver in der Rechten scheint ihr körperliches Unbehagen zu bereiten, mutet an wie ein Fremdkörper. Valerie wirkt nervös und irritiert. Gleich soll sie Warhol mit drei Schüssen niederstrecken – und das begleitet von obszönen Körperbewegungen und wilden Grimassen. Das liege ihr nicht, sagt sie später im Gespräch, sie sei ein introvertierter Mensch, der seine Angelegenheiten mit sich selber ausmacht und nicht gern aus sich herausgeht.

Hier inmitten der Parndorfer Heide liegt der Friedrichshof, ein weitläufiges Anwesen mit eigener Landwirtschaft, mit Werkstätten und Ateliers, hier leben die Angehörigen der sogenannten Mühl-Kommune. Ein Raum des Gutshofes ist zur Factory gestaltet. Der Maler und Aktionskünstler Otto Mühl inszeniert gemeinsam mit Terese Schulmeister gerade den Kunstfilm ‚Andy‘s Cake. Stories of Andy Warhols Factory‚. Maria Lassnig spielt die Feministin Valerie Solanas, die versucht, Andy Warhol zu töten. Mühl hat einen Auftritt als Julia Warhola, Andys Mutter; ich bekomme eine kleine Rolle als Fotoreporter zugewiesen. ….

Didi Sattmann, 2020
(Textausschnitt)

Wir können es nicht wissen. Versuch über die Arbeit des Ignaz Kienast

Veröffentlicht in „LANDSTRICH 30“
2014

„ …. EINS steht für die Ganzheit, das Vollkommene.
Wenn nun Gott ALL wäre.
Allmächtig, und alles einschließt, was existiert.
Und darüber hinaus gibt es NICHTS.

Prozession und Fest im Mai 2013 (am Muttertag übrigens) in der Loamgrui bei Ignaz Kienast

Dann ist Gott das Licht und die Finsternis,
Freude und Leid, das Gute und auch das Böse.
Dann ist auch der Mensch Teil Gottes,
und seine Welt ist es ebenfalls.

Doch wir können das nicht wissen.
Das Ganze, Absolute ist nicht fassbar für den Menschen,
die Ganzheit begegnet ihm daher lediglich in ihren Teilen.

Ignaz Kienast arbeitet mit Fragen solcher Art,
er spielt mit ihnen und er kämpft auch damit 
….

Didi Sattmann
(Textauszug)

Ein richtiger Mann

Erstfassung im Katalog „Künstler / Freunde“, Künstlerhaus
2008
Reto der Piercer

Aufrechte Haltung, kaum geschminkt, offener Blick – ein Frauentypus, den ich anziehend finde. Sie hat bei jedem der von mir ausgestellten Porträts Halt gemacht und sie hat schon mehrmals meinen Blick gesucht. Ich bin mir sicher, bevor die Halle sich geleert hat, wird die Unbekannte auf mich zu gehen. Ich glaube auch zu wissen, was dann kommen wird.

Man kann nicht hineinschauen in einen Menschen, sagt der Volksmund – doch genau das wollte ich mit meinem stetigen Fotografieren: meinen Blick auf das fremde Innen richten. Dabei scheint kaum ein anderes Medium so prädestiniert zu sein, bloß das Äußere zu zeigen, als die Fotografie – wenngleich sich das Wesen eines Menschen an seinem Äußeren ganz gut abbilden lässt. Ich wollte mit meinen Aufnahmen stets hinter die Fassaden blicken, wollte verstehen und erfassen, wie Menschen fühlen und denken. Mein Ansporn für das Fotografieren war nicht der Zauber der Dunkelkammer noch eine Begeisterung für technische Apparate. Das Tüfteln nach der perfekten Ausleuchtung mit Blitzanlagen war mir geradezu ein Gräuel, und nachträgliche Bearbeitungen von Porträts empfinde ich als Verfälschung. Fasziniert haben mich immer nur der Mensch, die Schritte der Annäherung und des Kennenlernens, die Prozesse des Agierens mittels Dialoges und Kamera. Fotografieren ist Begegnung! Du bist, vermutet die Malerin Maria Temnitschka, mehr interessiert an den Situationen selbst und an den Menschen die du ablichtest, als am Produkt Bild. Trotzdem hängen hier nun diese Aufnahmen an der Wand und das Ganze heißt: Fotoausstellung. Die meisten dieser Porträts zeigen Männer; knappe Texte geben Auskunft über die Hintergründe der Begegnungen. ….

Didi Sattmann, 22. Februar 2012
(Textausschnitt)